Darum graben Archäologen in Heerlen, 75 km vom Limes entfernt
Autor: Harry Lindelauf
Fotografie: Harry Lindelauf von der Universität Utrecht.
Warum graben Forscherinnen und Forscher aus Utrecht und Wageningen 75 Kilometer von ihrem Heimatort entfernt nach römischen Überresten? Diese Frage stellt sich wegen der Verbindung zwischen den Projekten Constructing the Limes und Heel Heerlen Graaft.
„Limes“ bedeutet „Grenze“. In der Römerzeit bildete der Rhein die nördliche Grenze des Römischen Reiches. Das Projekt Constructing the Limes vereint das Fachwissen von Dutzenden Expertinnen und Experten, um viele offene Fragen zu beantworten.
Projektleiterin Dr. Saskia Stevens von der Universität Utrecht, Spezialistin für Archäologie und Geschichte der Römerzeit, erklärt, warum Heerlen: „In unserem Projekt untersuchen wir den Einfluss des Limes auf das Hinterland dieser Grenze. Das römische Heerlen war ein wichtiger Ort in diesem Grenzgebiet, und Heel Heerlen Graaft bietet uns eine einzigartige Gelegenheit, zu verstehen, wie dieser Einfluss praktisch wirkte. Wir erforschen, wie das römische Heerlen aussah, was die Menschen aßen, welche Güter sie verwendeten und woher diese kamen.“
Mehrere Forschungsrichtungen
Es wurden mehrere Forschungsrichtungen festgelegt: die Mobilität von Menschen, die Verbreitung von Gegenständen und Waren, aber auch, wie Politiker bis heute den Limes in Reden und Diskussionen verwenden. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem Einfluss der Grenze auf Migration: Wer lebte in der Grenzregion? Waren sie Einheimische oder kamen sie mit den Römern – und wo lebten sie zuvor?
CSI-Szenerie in Heerlen
Die Antworten auf Fragen zu Migration und Ernährung sollen durch eine neue archäologische Methode gefunden werden: die Analyse von DNA aus alten Bodenschichten (sedimentäre DNA). Während Heel Heerlen Graaft wurden in einer CSI-ähnlichen Umgebung Bodenproben aus acht Grabungsgruben in 60 bis 100 Zentimetern Tiefe entnommen.
Im Labor der Universität Kopenhagen wird diese Erde auf alte DNA-Spuren untersucht, die von Pflanzen und Tieren stammen.
Saskia Stevens sagt: „So erfahren wir mehr über die Biodiversität in der Römerzeit, über die Ernährung der Bevölkerung und mögliche Krankheitserreger.“
Latrinen und Brunnen
An anderen Stellen untersuchen Forscher römische Latrinen und Brunnen, in der Hoffnung, dort Pflanzenreste und Krankheitserreger zu finden. Diese Methode ist relativ neu in der Archäologie und wurde bei Heel Heerlen Graaft erstmals in diesem Umfang angewendet. Im Rahmen des Projekts Constructing the Limes arbeiten Fachleute der Universitäten Kopenhagen, Utrecht und Wageningen daran, die DNA-Methode für archäologische Zwecke weiterzuentwickeln. Die gewonnenen Daten werden später zu Verbreitungskarten verarbeitet, die Ernährungsgewohnheiten darstellen – um zu zeigen, ob und wo der Limes dabei eine Rolle spielte.
Archivforschung
Heel Heerlen Graaft wurde entwickelt, um die Bürgerinnen und Bürger in ihre Vergangenheit und in die Forschung einzubeziehen – und das ist gelungen: Rund 150 Einwohner wurden ein Wochenende lang zu „Archäologen“. Saskia Stevens freut sich darüber: „Bürger verfügen manchmal über Detailwissen, das wir als Forschende nicht haben.“
Diese Bürgerbeteiligung fand im September 2023 landesweit große Beachtung.
Weniger im Rampenlicht steht die sorgfältige Archivforschung, die ebenfalls Teil des Projekts ist. Briefe, Bücher und historische Karten werden analysiert, um den Einfluss der historischen Grenze bis in die Gegenwart nachzuweisen.
Herzerwärmende Begeisterung
Die Ergebnisse dieses großen wissenschaftlichen Projekts werden in den kommenden Jahren veröffentlicht. Anfang 2024 erscheinen die Resultate der historischen DNA-Analyse, und in Heerlen ist eine Abschlussveranstaltung für die Grabungsaktion geplant. Die Forschenden bereiten Fachpublikationen vor, und das gesamte Wissen des Projekts wird in einem Publikumsbuch zusammengefasst, das 2026 erscheinen soll, begleitet von einer abschließenden Ausstellung.
Saskia Stevens blickt mit Freude auf die „herzerwärmende Begeisterung“ für Heel Heerlen Graaft zurück. Ihr Wunsch für eine nächste Grabung mit Bürgerbeteiligung: „Utrecht – wegen der römischen Überreste unter dem Domplein oder in Leidsche Rijn. Es wäre schön, wenn die Stadt das aufgreifen würde.“