Der 1.900-jährige Schatten eines kleinen Hahns

Autor: Harry Lindelauf
Fotografie: Limburgs Museum, Vicky Maddow Wiki Commons, Anja Neskens

Eine kleine, 1.900 Jahre alte Bronzefigur zeigt ein faszinierendes Spiel von Ähnlichkeiten und Unterschieden. Dies ist die Geschichte eines kunstvollen Stücks Handwerks eines unbekannten englischen Bronzegießers, das über einen Legionär in ein römisches Heiligtum gelangte. Lernen Sie den „Hahn von Buchten“ kennen.

Wer heute auf der A2 bei Holtum-Noord fährt, kann ihn nicht übersehen: die 13 Meter hohe, elegant stilisierte, goldfarbene Hahn-Skulptur. Schlank, aber dennoch aus 1.000 Kilogramm Aluminium gefertigt. Die Künstlerin Josée Fijnaut entwarf sie als moderne Neuinterpretation des Originals, das 1976 bei Ausgrabungen entdeckt wurde.
Der neue Hahn trägt zwei Botschaften: Erstens – man fährt durch den schmalsten Teil der Niederlande, wo die Behörden im Rahmen der Operation Bottleneck die Infrastruktur verbesserten. Zweitens – man befindet sich in einer Region, die einst von Römern bewohnt, durchquert und genutzt wurde.

Foto: Der von Josée Fijnaut entworfene Hahn wird von innen in Rot, Gelb und Blau beleuchtet – den Farben der Emailverzierung der Originalfigur.

Notgrabung

1976 – auf dem Industriegebiet entlang der Heirbaan wird eine Notgrabung organisiert. Ein Unternehmen will expandieren und drängt zur Eile. Die (Amateur-)Archäologen und Freiwilligen arbeiten im Akkord und finden die Überreste eines römischen Heiligtums – vermutlich ein einfaches Gebäude mit Steinfundament, Lehmwänden und Ziegeldach.
Zwei Funde zeigen deutlich, dass das Heiligtum der Göttin Arcuana geweiht war: die kleine Hahnfigur und eine Metallplatte. Arcuana gehört nicht zum üblichen römischen Götterpantheon; daher vermuten Archäologen, dass sie eine keltische Göttin war, deren Kult in römischer Zeit fortbestand.

Foto: Der Hahn von Buchten steht heute im Limburgs Museum in Venlo. Ihm fehlen Kehllappen, Schwanz und Rückenplatte.

„Wie versprochen“

Die Figur steht auf einem separat gegossenen Sockel, in den eine lateinische Inschrift eingeritzt ist. Diese besagt, dass Ulpius Verinus, Veteran der Sechsten Legion Victrix, die Figur „wie versprochen“ der Göttin Arcuana schenkte. Worin das Versprechen bestand, ist ungewiss – vielleicht hatte der Legionär während seines Dienstes im unruhigen England zu Arcuana gebetet, um gesund seine Pension zu erreichen. Offenbar gelang ihm das, weshalb er die kleine Figur, wahrscheinlich aus England mitgebracht, opferte. Der Name Arcuana findet sich auch auf einer tropfenförmigen Metallplatte, die am Heiligtum entdeckt wurde.

Foto: Der englische Hahn gehört zur Sammlung des Corinium Museum in Cirencester.

Hadrianswall

Der römische Hahn steht in zweifacher Verbindung zu England. Erstens, weil die Sechste Legion Victrix, der Ulpius Verinus angehörte, in York stationiert war. Die Römer kämpften dort erbittert gegen einheimische Stämme, um ihr Reich bis nach Schottland auszudehnen. Diese Bemühungen wurden unter Kaiser Hadrian eingestellt, was 122 n. Chr. zum Bau des weltberühmten Hadrianswalls führte – von Newcastle an der Nordsee bis Carlisle an der Irischen See.
Zweitens wurde 2011 in Cirencester (Großbritannien) eine nahezu identische Figur mit farbigen Emailfeldern auf der Brust gefunden – sie lag im Grab eines zwei- bis dreijährigen Kindes.

Foto: Legionär (Marcus?) Ulpius Verinus war möglicherweise am Bau oder an der Verteidigung des Hadrianswalls beteiligt.

Die Gemeinsamkeiten
Das Spiel der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem alten und dem neuen Hahn ist faszinierend:

  • Der moderne Hahn steht an der Autobahn A2.
  • Der Buchter Hahn wurde in der Nähe einer Kreuzung römischer Straßen gefunden: eine Nord-Süd-Achse entlang des rechten Maasufers (quasi die römische A2) und eine Ost-West-Verbindung nach Dilsen über eine Furt bei Grevenbicht. Der heutige Straßenname dort: Heirbaan.
  • Der moderne Hahn steht neben einem riesigen Distributionszentrum – Handel.
  • Der Buchter Hahn wurde nahe einer römischen Villa rustica gefunden – ebenfalls Handel.

Die Unterschiede

  • Der moderne Hahn (mit Sockel) ist 13 Meter hoch.
  • Der Buchter Hahn (mit Sockel) ist 17,8 Zentimeter hoch.
  • Der moderne Hahn wiegt 1.000 Kilogramm.
  • Der Buchter Hahn wiegt 258 Gramm.
  • Der moderne Hahn hat keine religiöse Bedeutung.
  • Der römische Hahn war mit Merkur, dem Gott des Handels, verbunden – oder galt als Symbol des Neubeginns und des Tagesanbruchs.

Dieser Artikel basiert auf einem Bericht der Archäologen T. Derks und B. de Fraiture.
Mehr erfahren? Lesen Sie den vollständigen Bericht.

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