Bewohner des römischen Tongern bekommen ein Gesicht
Autor: Harry Lindelauf
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Wissenschaftler haben die Gesichter eines Mannes, eines Jungen und eines Mädchens rekonstruiert, die zu Beginn unserer Zeitrechnung in Tongern begraben wurden. Das Ergebnis der Rekonstruktion ist ab dem 1. Mai im Eingangsbereich des Gallo-Römischen Museums in Tongern zu sehen. Im Jahr 2013 wurden die Skelette der drei Bewohner des römischen Tongern bei Ausgrabungen nordwestlich von Tongern gefunden. In einem Gräberfeld lagen 15 Gräber mit den Überresten von 12 Erwachsenen und 5 Kindern.
Historische Sensation
Ein Grab erregte besonders die Aufmerksamkeit der Forscher unter Leitung von Henk van der Velde vom Flämischen Erbezentrum: „Während der Entdeckung dieses Grabes erlebten wir einen Moment historischer Sensation. Das brachte uns dazu, diese Studie durchzuführen. Ihr Ergebnis ist bahnbrechend.“
In dem auffälligsten Grab lagen ein 40 bis 50 Jahre alter Mann, ein etwa 3-jähriges Mädchen und ein etwa 6-jähriger Junge. Der Mann und der Junge lagen auf dem Bauch begraben, das Mädchen auf der Seite. Ein bemerkenswertes Detail: das Mädchen hatte ihre Arme um die Beine des erwachsenen Mannes gelegt. Es ist naheliegend, dass der Mann und die beiden Kinder gleichzeitig ums Leben kamen und gemeinsam bestattet wurden.
Bruder und Schwester
DNA-Untersuchungen zeigen, dass die Kinder Bruder und Schwester waren; der Mann war nicht verwandt. Der gute Erhaltungszustand der Schädelreste und die DNA-Ergebnisse ermöglichten Gesichtsrekonstruktionen. Die Untersuchung ist Teil eines größeren Projekts, mit dem belgische Wissenschaftler herausfinden wollen, woher die ersten Generationen der Bewohner von Tongern stammten. Dank des Strontium-Isotopenverhältnisses in den Backenzähnen konnte festgestellt werden, dass sie in der Umgebung von Tongern geboren wurden.
Farbe der Augen, Haut und Haare
Die DNA-Untersuchung ergab auch die Farbe der Augen, der Haut und der Haare. Damit konnte die physische Anthropologin und Archäologin Maja d’Holossy (Universität Amsterdam) mit der Rekonstruktion der Gesichter beginnen. Die Rekonstruktionen des Mannes und des Jungen waren dank der verfügbaren Informationen möglich. Beim Mädchen war eine Rekonstruktion schwierig: in ihrem Fall wurden die verfügbaren Überreste und die biologische Verwandtschaft zum Jungen kombiniert, um zu einer Rekonstruktion zu gelangen.