Trotz moderner Technik spielt die Via Belgica immer noch Verstecken

Autor: Harry Lindelauf
Fotografie: Via Belgica

Satellitenbilder, Bodenradar, hochintelligente Software. Die modernsten Techniken wurden eingesetzt, um den genauen Verlauf der Via Belgica zu rekonstruieren. Doch leider bleiben große Teile der exakten Streckenführung ein Rätsel. Ein Überblick darüber, was wir wissen, und wo wir immer noch suchen.

Wie schwer kann es sein — römische Straßen sind doch immer schnurgerade, oder?

Dieser Mythos der Geradlinigkeit hält sich hartnäckig, weil er ständig wiederholt wird. In Wirklichkeit schlossen die römischen Straßenbauer Kompromisse, die bis heute große Bewunderung hervorrufen. Der Verlauf einer Straße sucht die kürzeste Verbindung, jedoch unter folgenden Bedingungen:

  • militärische Sicherheit,
  • möglichst geringe Steigung,
  • Schutz vor Überschwemmung oder Abspülung,
  • so wenige Brücken wie möglich.

Innerhalb dieser Anforderungen wurden gerade Abschnitte gebaut. Man sollte die Via Belgica daher als Perlenkette aus geraden Stücken betrachten, mit Kurven und Steigungen nur dort, wo sie unumgänglich waren.

Woher wussten die Straßenbauer, in welche Richtung sie gehen mussten?

Wahrscheinlich — wir wissen es nicht sicher — nutzten sie von den Griechen übernommenes Wissen über Himmelskörper, um die Grobrichtung festzulegen. Auf lokaler Ebene erkundeten und analysierten sie die Landschaft, um ihre Entscheidungen zu treffen. Sobald die Strecke festgelegt war, wurde sie mit speziellen Vermessungswerkzeugen abgesteckt. Dadurch konnten sie gerade Linien definieren, exakt nivellieren oder kontrollierte Steigungsgrade festlegen. Wir können auch nicht ausschließen, dass die Römer vorhandene Wege und Pfade der in der Region lebenden Eburonen nutzten.

 

 

Wie groß ist das Rätsel wirklich? Ich finde im Internet viele Meldungen über Fundstellen der Via Belgica.

Du hast recht, es wurden durchaus beachtliche Strecken entdeckt. Zwischen Maastricht-Daalhof und der Villa Kanjel an der Meerssenerweg in Maastricht kennen wir fast den gesamten Verlauf. Außerdem wurde die Straße an der Putweg in Houthem und am Château Sint Gerlach gefunden. Danach ist die Route unbekannt bis nach Voerendaal, im Gewerbegebiet Lindelaufer Gewande und an der Bergerweg. In Heerlen kennen wir den Verlauf ebenfalls recht gut: Einmündung bei der Valkenburgerweg, Richtung Uilestraat, unter dem Rathaus hindurch zur Putgraaf. Die Straße steigt aus dem Caumerbeek-Tal neben dem Kloster Huize De Berg in Richtung Landgraaf. Weit vor dem Kisselbos verschwindet sie wieder. Es gibt Berichte über römische Straßenreste in Landgraaf an der Koeweg und an der Delleweg, aber es ist nicht sicher, ob sie zur Via Belgica gehören. In Landgraaf bleibt die Route bis Rimburg ein Rätsel. Dort wurde die Straße auf beiden Seiten der Worm gefunden, einschließlich Brücke.

Wo also genau findet dieses Versteckspiel statt?

Das größte Rätsel betrifft den Abschnitt ab Broekhem: Wie verlief die Straße vom Geuldal den Hang hinauf Richtung Klimmen und auf der Ostseite von Klimmen wieder hinunter Richtung Voerendaal? Kleines Wortspiel: Die Straße ist „weg“. Wahrscheinlich von herabgespülten Erdschichten überdeckt. Außerdem wurde ihr Kies von der Bevölkerung wiederverwendet und im Laufe der Jahrhunderte wurden neue Wege darüber gebaut. Ein weiteres Rätsel betrifft den Verlauf zwischen dem Kisselsbos bei Heerlen und dem Wormtal bei Rimburg.

 

Und man schafft es bis heute nicht, die Straße wiederzufinden?

Nein, bis heute nicht. Karen Jeneson, Kuratorin des Thermenmuseums, hat sogar mit intelligenter Software das Teilstück Valkenburg–Klimmen untersucht. Die Software berechnet anhand der Höhenlinien und weiterer Faktoren, welcher Weg am wenigsten Aufwand verursacht, um von A nach B zu gelangen. Leider liefert das Programm zwar Optionen, aber es gibt keinerlei nachweisbare Spuren im Boden. Auch die Fans gerader Linien liefern hier keine Lösung.

Bei Walem wurden doch Reste eines römischen Turms entdeckt? Dann weiß man doch, wo die Straße verlief?

Auf dem Goudsberg wurden tatsächlich Fundamentreste gefunden. Aber ob die Straße dort vorbeiführte, ist nicht bestätigt. Diente der Turm der Sicherheit der Reisenden, war er ein Signalturm zur Übermittlung von Nachrichten oder ein Fluchtturm bei Gefahr? Wir wissen es nicht. Übrigens hatten die Römer auch an diesem Abschnitt ordentlich zu knabbern, denn hier liegt mit 146 Metern über Meereshöhe der höchste Punkt. Zum Vergleich: Ihre Brücke in Maastricht lag bei etwa 47 Metern, die römische Wormbrücke bei 87 Metern.

 

Wird sich das irgendwann noch klären?
Du meinst, ob wir die fehlenden Abschnitte noch finden werden? Die Meinungen darüber gehen — natürlich — auseinander. Ich selbst gehöre zum pessimistischen Lager. Es bräuchte teure Grabungen an mehreren Stellen, um die Suche fortzusetzen. Man müsste an sehr vielen Punkten graben und das Geld dafür wird kaum bereitgestellt werden. Wir werden also von Zufallsfunden bei Bauarbeiten abhängig sein. Aber hoffen darf man natürlich. Das tun schließlich auch Menschen, die ein Lotterielos kaufen.

Mit Dank an Béatrice de Fraiture.

 

Es bräuchte teure Grabungen an mehreren Stellen, um die Suche fortzusetzen.
— Béatrice de Fraiture

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