Die erste Stadtmauer von Maastricht war römisch

Autor: Harry Lindelauf
Fotografie: Rijksmuseum van Oudheden, Rijksdienst Cultureel Erfgoed, gemeente Maastricht

Im Jahr 333 begannen die Römer mit dem Bau einer Mauer zum Schutz ihrer Maasbrücke. Die erste Stadtmauer von Maastricht war schätzungsweise vier Meter hoch, 530 Meter lang und hatte zehn Türme und zwei Tore.

Alle sprechen von einem römischen Kastell, und du kommst mit einer Stadtmauer?

Ja, ich nehme mir diese Freiheit. Die Römer errichteten eine Mauer um ein Gebiet von etwa 14.500 Quadratmetern. Für mich sieht das eher nach einer Stadtmauer aus als nach einem Kastell — findest du nicht? Die Mauer schützte nicht ein einzelnes Gebäude, sondern einen ganzen Komplex: die Brücke, einen großen Getreidespeicher, ein Gebäude mit zwei halbrunden Ausbauten nördlich der Thermen und weitere Bauten. Der gesamte Innenbereich war nicht bebaut.

Übrigens wurde die Brücke auch auf der Wycker Seite geschützt. Von dieser Befestigung wurden keine Reste gefunden — sie verschwanden in der Maas — aber sie muss existiert haben. Es wäre unlogisch, eine Brücke nur an einem Ufer zu verteidigen.

Wie sah diese Stadtmauer aus?

Dank der Forschungen der Archäologen Eric Wetzels und Gilbert Soeters kennen wir das Bild ziemlich genau. Die Mauer wurde aus Kohlensandstein gebaut, als kleine Steine aus den Ardennen hertransportiert. Ebenfalls verwendet wurde Mergel aus dem Maastal im Mörtel — dieselben Materialien übrigens wie bei der Stadtmauer, die um 1229 entstand. Die römische Konstruktion bestand aus zwei eng beieinanderliegenden Mauern, deren Zwischenraum mit Mörtel und Steinen verfüllt war. Alle 50 Meter stand ein runder Turm. Die beiden 3,40 Meter breiten Tore wurden von rechteckigen Türmen flankiert. Vor der Mauer gruben die Römer einen neun Meter breiten und vier Meter tiefen Graben.

Warum wurde eine Stadtmauer gebaut?

Konstantin der Große vollendete ein neues Verteidigungskonzept für unsere Region. Der Rhein war früher eine gut bewachte Grenze. Doch Einfälle germanischer Stämme zeigten, dass das Hinterland schlecht geschützt war, wenn die Grenztruppen nicht standhielten. Die Römer stellten auf eine gestaffelte Verteidigung um. Steinbefestigungen entstanden in Cuijk, Nijmegen, Aachen, Tongern und Maastricht. Dass auch Heerlen eine Befestigung besaß, belegen Gräben beim Thermenmuseum und am Tempsplein. Entlang der wichtigsten Straßen entstand ein Netz von Wachtürmen zur Überwachung und Warnung. Die Fundamente auf dem Goudsberg bei Valkenburg-Walem, zur gleichen Zeit genutzt, gehörten wahrscheinlich zu einem solchen Turm. Bei Gefahr griffen kleinere Einheiten aus den Befestigungen ein.

Der Bau — das muss eine gewaltige Aufgabe gewesen sein

Und wie. Wir sprechen von mehr als 4.000 Quadratmetern Mauerfläche, zehn fünf Meter hohen Türmen mit einem Durchmesser von neun Metern sowie zwei Torflankentürmen. Berechnet wurde, dass beim Ausheben der Gräben rund 6.500 Kubikmeter Erde bewegt wurden. Das Baumaterial kam größtenteils per Flachboden über die Maas aus den Ardennen — eine enorme logistische Operation.

Wer war der glückliche Bauunternehmer?

Dafür kommt nur einer infrage: die Hilfstruppen des Heeres. Sie hatten das Wissen und die Kraft für dieses Projekt. Ob sie glücklich darüber waren?

Was geschah mit der römischen Stadtmauer?

Mit dem Untergang der Römer kamen die Franken. Vielleicht residierten kirchliche Würdenträger wie Lambertus und Servatius dort — belegt ist es nicht. Es gibt Berichte, dass die Wikinger im Jahr 881 die Mauer (oder das Kastell) zerstörten. Auffällig ist, dass nur zwei größere Steinblöcke im rechten Turm der Liebfrauenbasilika aus der römischen Stadtmauer stammen. Alles oberirdisch Sichtbare ist verschwunden — niemand weiß, wohin die Zehntausenden Steine gelangt sind.

Und unter der Erde?

Das ist zum Glück anders. Bei Ausgrabungen wurden Fundamente unter der Kirche, unter der Straße des Houtmaas und unter dem Café Bonne Femme (Graanmarkt) entdeckt. Wer nachspüren möchte: Auf dem Parkplatz am Houtmaas markieren runde Metallplatten den Grundriss eines Turms. Und im Keller des Hotels Derlon sieht man noch ein Stück der Mauer mit einem Teil des Westtors.

Bildunterschriften

[1]Fundament des Turms am Houtmaas.
[2] Rest der Stadtmauer im Museumskeller des Hotels Derlon.
[3] Modell der römischen Befestigung Maastricht.
[4] Überreste der römischen Befestigung als Teil der Liebfrauenbasilika.
[5] Modell der römischen Befestigungen mit einem Bauwerk am Wycker Ufer.
[6] Rekonstruktion eines römischen Wachturms, ähnlich dem am Goudsberg.
[7]  Grundriss der Befestigung über der heutigen Straßenstruktur.

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