Die Antike erwacht in Farbe im Gallo-Römischen Museum

Autor: Harry Lindelauf
Fotografie: Gallo-Romeins Museum Tongeren

Wir waren uns sicher, denn wir kannten es nie anders: antike griechische und römische Statuen haben die Farbe des Steins oder der Bronze, aus der sie gefertigt sind. Doch eine Ausstellung im Gallo-Römischen Museum in Tongern stellt diese Gewissheit auf den Kopf. Die bleichen Gesichter bekommen Farbe – und zwar leuchtend viel Farbe.

Foto: Kopf einer römischen Statue einer Göttin mit farbigen Rekonstruktionen. Auf der ursprünglichen Statue sind viele Farbspuren sichtbar: Rosa auf der Haut, Schwarz um die Augen und Gelb im Haar. Die Göttin trug eine Kopfbedeckung aus einem anderen Material, wahrscheinlich Metall. Diese ist nicht erhalten, was erklärt, warum der Bildhauer den oberen Teil des Kopfes nicht ausgearbeitet hat.

Tongern bietet den Besuchern damit ein außergewöhnliches Erlebnis: Dutzende farbenfrohe Rekonstruktionen in Originalgröße sind hier zusammengebracht.
Man sieht die Figuren, wie wir sie heute kennen – Götter, Kaiser, Krieger und mythologische Gestalten – und zugleich die Arbeiten von Prof. Vinzenz Brinkmann, Kurator der Antikenabteilung der Liebieghaus Skulpturensammlung in Frankfurt am Main. Er erforscht die Bemalung antiker Skulpturen und erstellt gemeinsam mit seiner Ehefrau Dr. Ulrike Koch-Brinkmann wissenschaftlich fundierte Rekonstruktionen in Originalgröße. In einem Film erklären die Forscher die Analysetechniken, die sie verwenden, und zeigen, wie die Rekonstruktionen entstehen. Brinkmann nutzt Farbspuren auf authentischen Statuen als Ausgangspunkt seiner Forschung. In Tongern sind mehrere griechische und römische Originalskulpturen mit echten Farbresten zu sehen.

Foto: Rekonstruktion einer Statue eines Bogenschützen aus dem Giebelfeld eines Tempels der Göttin Aphaia (Ägina, Griechenland, um 480 v. Chr.).

Das Haus von Delos

Einer der Höhepunkte der Ausstellung ist eine Videoinstallation einer Luxusvilla auf der griechischen Insel Delos aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. Zu sehen ist die Rekonstruktion einer lebensgroßen Statue einer jungen Frau, vermutlich der Hausherrin. Wie damals ist sie in Pastellfarben bemalt – mit einem rosafarbenen Gewand und einem durchscheinenden, hellgrünen Mantel.

Lehrreich und unterhaltsam für Kinder

Interaktive Computerspiele zeigen Kindern im Alter von 7 bis 12 Jahren, wie die Statuen früher hergestellt wurden. An Sonntagen und während der Schulferien gibt es eine kreative Werkstatt: Inspiriert von den Farben der Rekonstruktionen gestalten die Kinder ihr eigenes Motiv auf einer Marmortafel und bemalen es. Das fertige Werk dürfen sie als Souvenir mit nach Hause nehmen.

Auch Bronzestatuen waren bemalt

In der Zeit der Griechen und Römer wurden viele Statuen nicht aus Marmor, sondern aus Bronze hergestellt – und auch diese waren bemalt. In der Ausstellung sind vier Rekonstruktionen berühmter Bronzestatuen zu sehen: zwei griechische Krieger aus etwa 450 v. Chr. (gefunden in Riace, Italien) sowie das Statuenpaar „Der Boxer und der Prinz“.
Diese beiden wurden gemeinsam am südlichen Hang des Quirinalhügels in Rom entdeckt.

Gallo-Römisches Museum Tongern, „Die Antike in Farbe“, zu sehen bis zum 2. Juni 2024.

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